Illusion und Täuschung sind keine menschlichen Erfindungen. Die Evolution hat viele Arten hervorgebracht, die mit Vorspiegelung falscher Tatsachen ihre Überlebenschancen steigern oder ihren Beuteerfolg erhöhen. Heuschrecken sehen aus wie vertrocknete Blätter, Schmetterlingsflügel wirken wie Augen von Eulen.
In der Malerei verblüffte man mit „Tromp d’Oeil“-Techniken, indem man Kirchenkuppeln größer wirken ließ als sie waren oder mit täuschend echt gemalten Zimmerfluchten die Raumwirkung veränderte. Ein erfolgreiches und effektives Konzept, das in der Palmenstrand-Fototapete der 70er-Jahre ihre Fortsetzung fand.
Blendwerk auf dem Teller
Das Spiel mit der Illusion wirkt auch in der Kulinarik. Wer im „Canalla Bistro“, einem Restaurant in Valencia zum Dessert „the Amazing Banana“ bestellt, kann dieses Phänomen genussvoll erleben, sobald klar wird, dass dieses Rezept vieles enthält, nur keine Bananen*. „Trampantojo“ nenne man das, so der amüsierte Kellner zum sprachlosen Gast. Die humorlose Übersetzung laut Wörterbuch: „Blendwerk“.
The Amazing Banana (Foto © Canalla Bistro)
* sieht aus wie eine Banane, ist aber tatsächlich Eis aus weißer Schokokolade, Passionsfruchtgelee und Schokostreifen auf der „Schale”. That’s the magic!
Merkwürdige Gestaltung
Und auch im Design ist es ein faszinierendes Stilmittel, etwas zu kreieren, das nicht das ist, was es vorgibt zu sein. Grafische Gestaltung ist immer ein Spiel mit Zeichen und Formen, und auch hier lässt sich die Täuschung effektiv einsetzen. So entsteht „merkwürdiges Design“ – im wahrsten Sinn des Wortes. Die katalanische Designagentur Outro Studio entwickelte für die Design-Festival OFFF 2017 ein Zeichensystem, das passenderweise auf der Idee der Erweiterung unserer 5 Sinne basiert. Es will jedoch nicht gelingen, die extravagant geformten Buchstaben zu entziffern. Irgendwann wird klar: Diese „Buchstaben“ sind Icons. Stark abstrahierte Piktogramme der 5 Sinne schmecken, tasten, sehen, hören, riechen.
Design © Outro Studio
Erleben wir solche Momente des Staunens, dann ist das ultimative Ziel im Streben um Aufmerksamkeit erreicht. Das Produkt wird „merkwürdig“ – im wahrsten Sinn des Wortes. Die hohe Kunst ist dann erreicht, wenn die auflösende Erkenntnis zumindest annähernd so freudvoll spannend ist wie der Effekt der Verblüffung.